Generalstreik, Plätzchen und Green Day

„Das Leben ist ein Tanz“. Dieser Spruch begleitet mich sowohl hier in Argentinien, als auch in Deutschland, denn meiner Meinung nach gibt es keine passendere Beschreibung.  Wir tanzen durchs Leben, es gibt Momente, da tanzen wir wild, es gibt Momente, da tanzen wir langsam. Manchmal alleine, manchmal zu zweit, manchmal in einer großen Gruppe. Und dann gibt es Momente, da tanzen wir garnicht. Wir stehen still, weil es keinen Grund zum Tanzen gibt. Weil uns die Musik abgedreht wurde. Man wird nie wieder gleich tanzen wie davor, aber man muss wieder tanzen. Irgendwann. Ich denke, dass es in solchen Zeiten wichtig ist, sich Zeit zu nehmen. Lasst euch Zeit, die Musik wieder zu finden und lasst euch Zeit, wieder aufzustehen. Wir schaffen das, in kleinen Schritten und gemeinsam. Wir geben uns gegenseitig die Hand und helfen uns hoch, um eine neue Musik zu finden, ohne die alte zu vergessen. 

Ich möchte auf meine Worte oben nicht weiter eingehen und auch nichts erklären, die Angesprochenen verstehen es.

Nun zu meiner Zeit im sommerlichen Argentinien. Es fehlen noch vier Tage bis Weihnachten und meine Weihnachtsstimmung hält sich sehr in Grenzen muss ich sagen! Bei 32 Grad Außentemperatur und strahlendem Sonnenschein fällt einem die Vorfreude auf den Weihnachtsmann nicht ganz leicht. Obwohl wir uns bei Weihnachtsabenden mit Plätzchen backen, Glühwein trinken und Weihnachtsmusik hören wirklich anstrengen, fehlen mir die Kälte und der Winter für eine ordentliche Adventszeit. Ich muss aber ehrlich sagen, dass es mir auch garnicht fehlt! Dadurch, dass wir so viel Neues tagtäglich erleben, bleibt wenig Zeit für fehlende Weihnachtsstimmung. Das sehen die Argentinier anders! Hier wird fleißig geschmückt, kurioserweise mit Kunstschnee und Rießentannenbäumen, Schneemännern in Schlitten und Lebkuchenhäusern, was im Hochsommer komplett fehl am Platz scheint. Auch verbinden die Kinder Weihnachten nicht mit Winter, wieso der Weihnachtsmann dann in Winterklamotten herumläuft, scheint sich irgendwie niemand hier zu fragen. Neben dem eifrigen Schmücken und Aufstellen von Plastiktannenbäumchen dürfen natürlich auch die Weihnachtsbasare nicht fehlen. So fand in unserer Gemeinde vor zwei Wochen ein großer Kaffeekranz statt, es wurde Kuchen verkauft, zusammengesessen und selbstgebastelte Weihnachtsdekoration angeboten. Da unsere Gemeinde deutsch ist, konnte man zahlreiche Adventskränze und -kalender erstehen und die Blaskapelle spielte deutsche Weihnachtslieder. Ich habe mich gefühlt, wie in einer deutschen Seifenblase mitten in Buenos Aires, es schien mir, als wären jegliche deutschsprachige Kirchgänger an diesem Nachmittag zusammengetroffen, um bei 30 Grad ein bisschen deutsche Weihnachtstradition zu wahren. Auch im Projekt haben wir versucht, ein bisschen deutschen Advent in die Schule einfließen zu lassen. Unsere Plätzchen-Back-Aktion mit sage und schreibe 200 Kindern hat überraschend gut funktioniert und die Kids haben sich gefreut wie Schneekönige. Außerdem haben wir mit mit den etwas älteren Kindern der Primaria „Stern über Betlehem“ geübt, jedoch nicht nur auf deutsch, sondern auch auf spanisch, nachdem wir den deutschen Text ins Spanische adaptiert haben. Eine Herausforderung für beide Seiten!

Allgemein jagt hier ein Event das nächste. Letztens waren wir auf einem GreenDay-Konzert, kurz darauf auf einem der besten Techno-Events, auf dem ich bisher war. Zu der Art des Feiernd, vor allem bei Konzerten, lässt sich über die Argentinier sagen; ein deutscher Moshpit hat keine Chance. Ich persönlich bin aufgrund meiner Größe nicht so ein großer Moshpit-Fan, auf einem argentinischen Konzert lässt sich das aber nicht verhindern. Ab dem zweiten Takt des ersten Liedes von Green Day hat die Menge drei Stunden lang getobt. Stehen bleiben ging nicht, jeder war nach einer halben Stunde komplett durchgeschwitzt. Dadurch war bei diesem Konzert die beste Stimmung, die ich je bei einem Konzert erlebt habe. Das fand die Band wohl auch, sie haben fast eine Stunde Zugabe gespielt!

 

Ein anderes extrem empfehlendes und mal komplett anderes Event ist das „La Bomba de Tierra“-Konzert, dass jeden Montag im Kulturzentrum KONEX in Once stattfindet. Dabei handelt es sich um ein Trommelkonzert, etwas drei Stunden lang tanzen, springen und singen die Leute unter freiem Himmel zu extrem coolen Rhythmen, teilweise begleitet mit Gitarre und Gesang. Die Stimmung ist super und die Ambiente auch.

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Neben Besuchen von Konzerten kann ich eine weitere Sache wärmstens empfehlen, wenn man einen Gesamtüberblick über die Stadt haben möchte; einmal richtig Touri sein und sich in einen Hop-On-Hop-Off-Bus setzen. Ohne Ausstieg dauert die große Tour etwa drei Stunden und es wird wirklich jede halbwegs bekannte Sehenswürdigkeit abgeklappert. Drei Stunden klingen lang, aber mit Wassermelone und Mate sitzt es sich echt gut in den Bussen! Der Spaß ist auch nicht ganz billig, meiner Meinung nach aber sinnvoll. Buenos Aires ist einfach zu groß, um es per Fuß komplett zu erkunden, außer man hat ein Jahr Zeit (hehe), aber selbst dann lohnt sich für den Überblick einmal diese Tour.

In vielen Reiseführern wird der November als die schönte Jahreszeit in Buenos Aires bezeichnet und ich muss dem wirklich zustimmen. Vor allem durch die violett-blau blühenden Jacaranda-Bäume wird die Stadt einfach nochmal sehr viel schöner, das Wetter ist noch nicht so schwül, wie im Dezember und die Sonne noch nicht ganz so stark. Die Stadt macht sich auf den Sommer bereit und zeigt sich von einer schönsten Seite.

Obwohl meine Liebe zu der Stadt Buenos Aires sich immer noch hält, freue ich mich jedes mal auf die Reisen. Die letzte führte mich nach Montevideo, die Hauptstadt von Uruguay. Da Montevideo genau auf der anderen Uferseite des Rio de la Plata liegt, reist man mit der Fähre nur 3 Stunden, mit dem Bus einmal außen herum acht Stunden. Viel gesehen habe ich von Montevideo ehrlich gesagt nicht, wir sind für zwei Tage die Küste Richtung Norden an den Strand gefahren. Die atlantische Küste Uruguay ist, vor allem je nördlicher man geht, unglaublich schön und naturbelassen, auf jeden Fall empfehlenswert auch zum Schlafen am Strand. Ich habe noch nie so viele Stern inklusive Milchstraße und Sternschnuppen gesehen, wie ich in dieser Nacht. Zu Montevideo kann ich nur sagen, dass sich die Nachtmärkte lohnen, wie auch in Buenos Aires sind Freias einfach was schönes, vor allem bei Nacht.

Kommen wir nochmal zu meinem Projekt. Vor allem zum Ende der Jahres und hier damit auch zum Ende des Schuljahres, wurde ein Fest nach dem anderen gefeiert. Ich finde es nach wie vor schön, wie viel Mühe sich für die Kinder gemacht wird. Ich was vor allem im Jardín die letzten Wochen, weswegen ich zu den Feierlichkeiten am meisten sagen kann. Es fing an mit den finalen „Actos“, die Kinder haben gruppenweise Tänze eingeübt und diese dann präsentiert, allerdings verkleidet. Und die Verkleidungen konnten sich sehen lassen!!! Von den Vögeln von Rio bis zu den Mumien von Michael Jackson war alles vertretende Kostüme hergestellt in aufwändiger Handarbeit. Weiter ging es mit den Feiern für die Egresasitos, die Abschlusskinder des Kindergartens in diesem Fall. Sie wurden gefeiert wie kleine Stars, es flossen zahlreiche Tränen sowohl bei der Diplomverleihung im Rathaus, als auch am letzten Kindergartentag. Die Schule ist für mich wirklich schon Familie geworden und ich freue mich sehr auf das kommende Jahr, um all unsere Ideen mit den Kinder umzusetzen!

Schlussendlich möchte noch etwas zu der politischen Meinung und deren Umsetzung des Volkes hier in Argentinien sagen. Ich habe wirklich nicht viel Ahnung von Politik, aber die Auswirkungen kann man nicht übersehen. Die letzten Tage war hier „Paro“, so etwas wie Generalstreik. Zeitweise fuhr kein öffentliches Transportmittel und die Leute gingen zu tausend auf die Straße. In Capital, vor allem um den Congress herum kam es zu wilden Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Aber auch hier in Olivos, wo der Präsidentenpalast steht, gingen hunderte auf die Straße, ganze Straßenzüge wurden abgesperrt. Der Grund dafür ist anscheinend eine Reform, die Gehaltskürzungen und längere Arbeitszeiten beinhaltet. Dazu kommt das Verschwinden eines U-Boots der argentinischen Armee und die immer weitersteigende Inflation. Mir wurde gesagt, dass es mindestens einmal im Jahr Generalstreik gibt. Die Banken geben kein Geld mehr, Läden öffnen nicht. In manchen Stadtvierteln kommt es zu Raubzügen durch die Supermärkte, was nicht immer gut ausgeht. Die politische Meinung hier scheint mir oft sehr eng mit Emotionen verbunden. Das Volk spekuliert viel, es wird sehr viel beschuldigt, ohne, dass die Anschuldigungen auf politischen Fakten basieren. Ich habe mich letztens mit einem Argentinier darüber unterhalten, der mir sagte, dass das vor allem an dem Einfluss der Medien liegt. Durch die Korruption werden Meinungen und Aussagen „gekauft“, all das wirkt sich kontraproduktiv auf die Inflation aus. Ich möchte wie gesagt nicht urteilen, da ich zu wenig Ahnung habe, mir ist nur aufgefallen, dass ich noch nie jemanden gut von der derzeitigen Politik sprechen gehört habe. Ich glaube jedoch, dass das nur bedingt mit dem derzeitigen Präsidenten zu tun hat. Auch der Peronismus spielt immer noch eine sehr große Rolle hier. Jeder sollte sich da seine eigenen Gedanken machen, ich kann es allerdings nur empfehlen, sich mal mit der argentinischen Politik zu beschäftigen, es ist komplex und interessant.

Morgen geht es für mich auf Reisen, das heißt ich melde mich mindestens 6 Wochen nicht, danach gibt es dafür einiges zu berichten.

Ich wünsche allen Fröhliche Weihnachten, genießt die Feiertage und habt einen guten Start ins Neue Jahr!

 

Ein Kommentar zu „Generalstreik, Plätzchen und Green Day

  1. Hallo Liebe Nele, ich wünsche dir ein gesegnetes Weihnachtsfest mit vielen schönen Gedanken an deine Lieben in der Ferne. Genieße deine freie Zeit. Verfolge deinen Blog mit viel Freude und bewundere deine Art zu schreiben. Sehr einfühlsam und motivierend, ich war kurz davor mich mit argentinischer Politik zu beschäftigen 😀 Herzliche Weihnachtsgrüße aus Gerlingen. Steffen

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